Dirk Zingler ist immer mit dem Herzen dabei, und nicht selten trägt der Union-Boss sein Herz auf der Zunge. „Aber ich wollte doch gar nichts über Corona sagen!“, entfuhr es ihm in einer kurzen Gesprächspause - doch da hatten die anwesenden Journalisten seine Schimpftiraden längst niedergeschrieben und gespeichert.
Bevor der Präsident des Fußball-Bundesligisten Union Berlin auf der Mitgliederversammlung am Donnerstagabend die „sportlich erfolgreichste und wirtschaftlich wertvollste Phase der Vereinsgeschichte“ verkündete, hatte er in einer Medienrunde einmal mehr die Corona-Politik scharf kritisiert. Vor allem die abgewählte Bundesregierung und Markus Söder bekamen ihr Fett weg.
Unser Land ist in einem katastrophalen Zustand, weil es katastrophal geführt wird und katastrophal kommuniziert wurde
Dirk Zingler
„Die Abwälzung der Verantwortung auf die Menschen, Veranstalter und Unternehmen ist kaum noch zu ertragen“, wetterte Zingler: „Unser Land ist in einem katastrophalen Zustand, weil es katastrophal geführt wird und katastrophal kommuniziert wurde.“ Das politische Handeln in der Krise sei teilweise „absurd“, man befinde sich „im Vollchaos“.
Dies betreffe auch die Zuschauer-Thematik, so der 57-Jährige. Man erhalte „täglich andere Signale von der Politik“. Ob Union am Freitagabend (20.30 Uhr/DAZN) gegen RB Leipzig wie geplant vor 13.500 Zuschauern in der Alten Försterei auflaufen kann, war aufgrund der Bund-Länder-Beratungen am Donnerstag lange nicht sicher.
Zingler kritisierte zudem die Einmischung höchster politischer Kreise in den Fall des Impfskeptikers Joshua Kimmich. „Dass sich unsere Bundesregierung mit einer Einzelperson aus einer Branche befasst, die zu über 90 Prozent geimpft ist, ist ein Skandal“, sagte er.
Die Empörung über volle Stadien in der vierten Welle empfindet der Logistikunternehmer ebenfalls als unangebracht: „Wir regen uns über volle Stadien auf, aber nicht über lange Schlangen an Impfzentren.“ Der Staat solle „bitte zuerst seine Hausaufgaben machen und erst dann bei den Menschen die Grundrechte einschränken“. Hoffnung mache ihm die neue Ampel-Koalition, was auch daran läge, dass „der Clown aus München“ nicht mehr dabei sei. Gemeint war offenbar Bayerns Ministerpräsident Söder (CSU), der kürzlich Geisterspiele für alle Bundesligisten gefordert hatte.
Deutlich emotionsloser trug Zingler sieben Stunden später den Finanzbericht der Saison 2020/21 vor. Der Fehlbetrag von 10,375 Millionen Euro stelle kein großes Problem dar, man habe bewusst auf mögliche Transfereinnahmen verzichtet. Zudem übersteige das reale Vereinsvermögen den Wert der Verbindlichkeiten „bei weitem“. Außerdem gab es bei den Kennzahlen von Sponsoren, Mitgliedern, Mitarbeitern und im Social Media überall Steigerungen.
Dass Union in der dritten Bundesligasaison noch in allen drei Wettbewerben vertreten ist, liege auch an der unternehmerischen Idee des Klubs, so Zingler: „Da, wo wir heute stehen, stehen wir nicht zufällig.“ Auch Corona könne Unions Aufschwung nicht nachhaltig stoppen: „Die Corona-Zeiträume hängen wir nicht so hoch, die muss ein stabiles Unternehmen überstehen. Wir überstehen sie recht gut.“
Außerdem kündigte der Union-Boss an, dass der Klub bis zum Ende seiner aktuellen Amtsperiode 2025 „über 100 Millionen Euro“ investieren werde. Das betrifft den Stadionumbau der Alten Försterei, das neue Nachwuchsleistungszentrum, ein neues Trainingszentrum, die Organisation und Digitalisierung sowie den Profikader.